Wie wirke ich auf andere?
Wenn man sich diese Frage ständig stellt, kann das ganz schön anstrengend sein. Psychologin Stefanie Stahl erklärt, wie man konstruktiv mit der Grübelei über die eigene Wirkung umgehen kann
Die Situation kennt wohl jeder: Man kommt neu zu einer Gruppe dazu – im Job oder auch im Privatleben – und fragt sich anschließend, wie man auf die anderen gewirkt hat. „Habe ich interessante Sachen gesagt? War ich schlagfertig genug? Halten die mich für intelligent? Finden die mich nett?“ Manch einen verunsichern solche Situationen ziemlich. Diejenigen beschleicht im Nachhinein oft das Gefühl, sich nicht „gut verkauft zu haben“.
Hinter dieser Betrachtungsweise steckt aus meiner Sicht bereits ein Teil des Problems. Wer sich nur danach ausrichtet, sich „gut zu verkaufen“, läuft in Gefahr nicht authentisch zu sein. Er handelt nur im Hinblick darauf, wie er bei seinem Umfeld ankommt. Er versucht den Geschmack und das Urteil seiner Mitmenschen zu antizipieren. Abgesehen davon, dass man bei diesem Versuch gehörig daneben langen kann, erreicht man damit vor allem eines: Man agiert überangepasst.
Jetzt ist es generell ganz normal, sich Gedanken zu machen, wie man auf andere wirkt. Alle Menschen haben von Natur aus ein großes Bedürfnis nach Anerkennung. Wenn uns niemand anerkennt, dann bindet sich niemand an uns – und das entspricht nicht unserem existentiellen psychologischen Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit.
Trotzdem scheint es einigen leichter zu fallen als anderen, mit dieser Sehnsucht nach Anerkennung umzugehen. Jeder hat doch in seinem Umfeld diesen Freund oder jene Kollegin, die sich offensichtlich keinen Kopf machen, wie sie ankommen – und ganz ungekünstelt alle für sich einnehmen. Wie machen die das?
Die Antwort ist: weil sie sich authentisch verhalten. Diese Menschen haben tief in ihrem Unterbewusstsein ein positives Selbstbild und projizieren dieses Bild in die Köpfe der anderen. Sie denken von sich: „Ich bin doch okay so wie ich bin. Warum sollte jemand etwas gegen mich haben?“ Sie verhalten sich natürlich, sagen „Ja“, wenn sie „Ja“ meinen und „Nein“, wenn sie etwas nicht wollen. Sie trauen sich spontan zu sein, ohne sich ständig um ihre Wirkung auf andere zu sorgen. Diese innere Überzeugung ist kaum zu erschüttern.
Wer sich dagegen selbst nicht genügt, hat ständig das Gefühl, sich furchtbar anstrengen zu müssen, um akzeptiert zu werden. Gleichzeitig zweifelt er an, dass seine Bemühungen erfolgreich sind.
Das abzustellen, ist nicht ganz einfach. Es hilft auf jeden Fall, die Frage „Wie wirke ich?“ auszutauschen gegen die Fragen „Was sind meine Werte?“ und „Was ist sinnvoll?“.
Ich empfehle, eine Art innere Bestandsaufnahme zu machen und zu überlegen, was einen selbst eigentlich ausmacht. Was ist mir persönlich wichtig? Was wurde mir vielleicht nur anerzogen?
Ein Beispiel: Wer als Kind ständig „Spiel dich nicht so auf“ zu hören bekam, der hat als Erwachsener Bedenken, angeberisch und aufdringlich zu wirken. Die Folge davon kann sein, dass man extrem zurückhaltend auftritt und dadurch unterkühlt oder sogar desinteressiert wirkt.
Ein anderes Beispiel: Wenn Fairness und Gerechtigkeit Werte sind, die mir etwas bedeuten, kann ich mir das in schwierigen Situationen ins Gedächtnis rufen. Dann geht es nicht mehr darum, wie siegreich oder souverän man in einem Gespräch gewirkt hat, sondern welches Verhalten man selbst als anständig und sinnvoll bewertet.
Die Frage nach den eigenen Werten bringt uns unserem authentischen Ich näher. Je mehr ich weiß, was zu mir gehört und je mehr ich annehme, was mich ausmacht, desto sicherer fühle ich mich auch.
Die Sorge um die Außenwirkung ist im Kern ganz schön egozentrisch. Das beständige Kreisen um die eigene Bestätigung lässt einen Dinge vernachlässigen, die für die Interaktion mit anderen aber sehr sinnvoll sind. Je besser mein Kontakt zu mir und meinen Gefühlen ist, desto mehr gedankliche Kapazitäten habe ich, um auf mein Gegenüber achten und aufmerksam, offen und wohlwollend zu sein. Die oberflächliche Frage, wie gut man sich wohl verkauft, erübrigt sich dann. Wenn ich mich aufrichtig für mein Gegenüber interessiere und wirklich zuhöre, vergesse ich die Sorgen um meine eigene Perfomance.